Klimagerechtigkeit beginnt im Alltag

Ein Gespräch mit Eliezer Koffi Kouassi

In unterschiedlichen Strukturen wie dem Goethe Institut Côte d'lvoire und der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie in Brandenburg arbeitet Eliezer Koffi Kouassi, der aus der Republik Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) kommt, zusammen. Eliezer lebt und arbeitet seit 2019 in Deutschland und greift in seiner Tätigkeit als interkultureller Trainer vor allem auf fairen Handel bzw. Klimagerechtigkeit und seine eigenen Erfahrungen im Migrationsprozess und in der Arbeitswelt zurück. 

E (Eesha Kheny): Eliezer, du hast an einem Workshop des ICJA im Rahmen von Globefair teilgenommen. Kannst du mir ein bisschen erzählen, was du genau machst und wie du dazu gekommen bist?  

EK (Eliezer Koffi Kouassi): Ich bin Bildungsreferent und studiere parallel den Master an der Universität Potsdam. Das heißt, ich leite Workshops an Schulen zu vielen globalen Themen: Klimaschutz, Globalisierung, Kolonialismus, Migration – es ist eine große Bandbreite. Ich bin mit verschiedenen Institutionen und manchmal mit Fairtrade unterwegs, unter anderem auch in meinem Herkunftsland. Ich komme aus der Republik Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) in Westafrika. Ich war dort mit “Fairtrade” unterwegs, bin aber mittlerweile in Deutschland und arbeite auch hier weiter. Die globalen Themen sind mir sehr wichtig.  

E: Und wie bist du dazu gekommen? Gab es ein Schlüsselerlebnis? 

EK: Das Interesse hat sich nach dem Abitur entwickelt. Ich habe begonnen, mich intensiv mit Themen wie fairem Handel und Klimaschutz auseinanderzusetzen. Ich habe gemerkt, dass sich die Welt verändert – auch die Bedingungen, unter denen meine Eltern arbeiten. Mein Vater ist Kakaobauer, ich bin also Sohn eines Bauern. Die Elfenbeinküste ist der weltweit größte Kakaoproduzent. Meine Eltern konnten mich durch den Kakaoanbau zur Schule schicken. Mit der Zeit aber wurde der Ertrag immer geringer, das Geld reichte nicht mehr. Als ich dann in der Stadt war, um zu studieren, fiel mir auf, wie teuer Schokolade hier ist. Ich fragte mich: Warum? Das war der Auslöser. Ich begann zu recherchieren, engagierte mich bei NGOs, Vereinen, Institutionen – und so fing alles an. Seit rund 15 Jahren bin ich aktiv und frage mich: Was kann ich tun? Was können wir gemeinsam erreichen? 

E: Wie bist du zum ICJA gekommen? 

EK: Durch meine Frau. Sie ist Deutsche, wir haben uns in meinem Herkunftsland kennengelernt. Sie hat einen Freiwilligendienst mit dem ICJA in Togo gemacht. Einige Jahre später war sie beruflich in Côte d'lvoire, für ein Auslandspraktikum. Wir lernten uns kennen, als ich gerade an der Uni Deutsch lernte, unter anderem am Goethe-Institut, wo sie ihr Praktikum absolvierte. Wir sprachen viel über globale Themen – und sie erzählte mir vom ICJA. Als ich dann zum Studium nach Deutschland kam, hat sie mir von Veranstaltungen und Workshops erzählt. So bin ich zu Globefair gekommen. 

E: Kannst du mit mir teilen, wie deine Erfahrungen beim ICJA bisher waren – und warum du glaubst, dass solche Workshops wichtig sind? 

EK: Bisher habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich bin der Meinung, wir könnten noch viel mehr Engagement zeigen – gerade in Berlin, wo so viele unterschiedliche Menschen leben. Ich finde es großartig, dass es Angebote wie Globefair gibt. Besonders spannend fand ich die Besuche in den Fair-Trade-Läden – zu sehen, wie sie produzieren, was sie verkaufen, woher die Produkte kommen und inwiefern sie sich für fairen Handel und Klimaschutz engagieren. Am schönsten finde ich an den Workshop selbst: dass viele Menschen zusammenkommen und diskutieren. Nicht nur allein in der Schule aktiv sein – sondern gemeinsam mit anderen Erfahrungen teilen. 

E: Was würdest du sagen – was sind aktuell die gesellschaftlichen Herausforderungen beim Thema Klimagerechtigkeit? Besonders, wenn man auch Politik mit ins Gespräch bringt – gerade jetzt, wo politische Entwicklungen in den USA und Deutschland nicht unbedingt förderlich sind? 

EK: Ich glaube, die größte Herausforderung ist, dass man schnell abgestempelt wird, wenn man über solche Themen spricht. Viele denken, man wolle moralisieren. Fairer Handel, Gerechtigkeit – das sind starke Begriffe, und das merke ich auch in meinen Workshops. Ich betone immer: Ja, Politik ist wichtig – aber hier geht es nicht um Parteipolitik. Wir sollten Dinge objektiv betrachten und fragen: Ist das, was ich sage, fundiert? So gewinnt man Menschen. Wenn man zu aggressiv oder ideologisch auftritt, wird es schwierig. Viele Politiker tragen mit ihrem Verhalten auch nicht zur Versachlichung bei. Solange man nicht direkt betroffen ist, berührt das Thema viele nicht. Im Globalen Süden leiden viele, obwohl sie am wenigsten zum Problem beigetragen haben. In Deutschland hingegen – solange man Essen, Wasser und Schnee hat – bleibt das Hauptthema oft Migration.  

E: Ich komme selbst aus Indien. Auch dort meiden viele diese Themen – obwohl sie gebildet und engagiert sind, finden sie es zu komplex. Ich denke, wir müssen lernen, wie wir unsere Botschaften besser formulieren. Was ist deine Strategie?  

EK: Das hängt sehr vom Alter der Teilnehmenden ab. Meistens arbeite ich mit Bildern – aus meinem Herkunftsland oder anderen Ländern. Ich stelle Fragen wie: „Was fällt euch auf?“ oder „Was passiert hier?“ Viele der Bilder habe ich selbst aufgenommen. Ich erkläre nicht direkt: „Das ist Klimagerechtigkeit.“ Ich gestalte es sehr niedrigschwellig, geduldig – und lasse die Teilnehmenden selbst entdecken. Viele sagen dann: „Ah, das wusste ich gar nicht.“ Wir überlegen gemeinsam: Woher kommen die Produkte im Supermarkt? Die westliche Welt ist sehr konsumorientiert – ich will da niemanden verurteilen. Aber ohne Anbau, ohne Ressourcen hat Geld keinen Wert. Ich sage: Ihr könnt viel Geld haben, aber wenn es keine Produkte mehr gibt, was dann? Ich arbeite also mit Bildern, Videos und vielen Fragen. Und lasse die Gruppen gemeinsam nach Lösungen suchen. Ich rede wenig, aber besonders beim Thema Klimagerechtigkeit versuche ich, die Teilnehmenden selbst auf Erkenntnisse kommen zu lassen. 

E: Was sind für dich die wichtigsten Empfehlungen, was sollen die Teilnehmenden aus deinen Workshops mitnehmen? 

EK: Ich sage immer: Die Welt, wie sie gestern war, gibt es nicht mehr. Eine Welt, in der Indien nur den Indern, Deutschland nur den Deutschen oder die Elfenbeinküste nur den Ivorern gehört – diese Welt ist vorbei. Nicht nur, weil Ausländer dort leben – sondern weil wir heute durch Technologie und Kommunikation alle miteinander verbunden sind. Ich sitze hier und weiß, was in Indien, Japan oder den USA passiert. Wir leben in einem globalen Dorf. Was in China passiert, hat direkte Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Deswegen darf man nicht sagen: „Das geht mich nichts an.“ Ich empfehle immer: Beschäftigt euch mit globalen Themen. Bildet euch weiter, stellt Fragen: Woher kommt das? Wie leben andere? Ich bin nicht da, um alles zu erklären – das kann ich gar nicht. Aber wir alle können uns bemühen, globale Herausforderungen gemeinsam als Menschen anzugehen – nicht als Deutsche, Inder oder Ebora. Am Ende bleibt immer etwas offen – das ist lebenslanges Lernen. Und so sollte es auch sein. 

E: Und noch eine ganz einfache Frage, die ich aber gar nicht so leicht beantworten kann: Was bedeutet eigentlich Klimagerechtigkeit? Ich habe gemerkt, dass für jede Person diese Idee etwas anderes bedeutet. Deshalb würde ich dich fragen: Was ist für dich Klimagerechtigkeit?  

E.K: Also, die Frage kann man wirklich nicht so einfach beantworten. Wenn ich ehrlich bin – ich könnte ein ganzes Buch darüberschreiben. Denn das Klima ist schon für sich ein riesiges Thema. Und Gerechtigkeit ist nochmal ein ganz eigenes, sehr komplexes Thema. Beides zusammenzubringen und zu definieren, ist nicht leicht. Aber ich versuche es so:  Klimagerechtigkeit ist für mich ein Lebensstil, der es uns Menschen ermöglicht, nachhaltig zu leben – egal, wo man lebt. Wie kleide ich mich? Was esse ich? Wo esse ich? Wo kaufe ich ein? Wo kommt das alles her? Menschen, die Bananen, Kakao, Obst und Gemüse anbauen – wie viel verdienen sie eigentlich? Kommen sie mit dem, was sie verdienen, über die Runden? Wer arbeitet auf diesen Plantagen? Das sind für mich die entscheidenden Fragen. Klimagerechtigkeit ist ein schwieriger Begriff. Ich versuche gar nicht, es immer mit einer festen Definition zu erklären. Ich versuche dabei, mir bewusst zu machen: Nicht alle Menschen sind wissensdurstig oder können gründlich recherchieren oder wissenschaftlich arbeiten – viele haben gar nicht die Möglichkeit oder die Ressourcen dafür. Deshalb muss ich mich immer wieder umstellen, einfache Fragen stellen. Anstatt zu fragen: “Wie ist das Klima in Indien, Japan oder Südamerika?” – frage ich: “Was bauen die Menschen an? Was esse ich zu Hause? Regnet es bei den Menschen dort noch regelmäßig?” Also einfache Fragen, anstatt zu sagen: „Die Wissenschaft sagt…“ – dann schalten viele Leute ab. Dann heißt es: „Was redet der oder die da?“ Aber durch einfache Fragen spürt man oft mehr. Wenn jemand dann zum Beispiel sagt: „Meine Oma hat erzählt, vor 30 Jahren hat es viel geschneit – und jetzt nicht mehr“ – dann ist das ein Aha-Moment. 

E: Ich stimme dir zu. Vielen Dank für das Interview. 

Interview geführt von Eesha Kheny, Referentin für Social Media und Marketing